Ein europäisches Fotoprojekt zur Coronakrise - 52 Fotografen/innen aus 48 Ländern zeigen Fotos aus allen europäischen Hauptstädten.

A European photo project on the Corona crisis - 52 photographers from 48 countries show photos from all European capitals.

 

Die Stadt der Seufzer

Ljubljana wie nie zuvor. Das laute Geräusch einer tiefsitzenden Panik durchtrennt die dichte, neblige und von der Angst vor dem Unbekannten geschwängerte Luft. Während ich durch die Stadt gehe, träume ich von meiner schönen Heimatstadt, die nun als Kulisse für einen postapokalyptischen Covid-19-Film zu dienen scheint. Unheilvolle Momente scheinen sich anzuschleichen, während ich verlassene Bänke, leere Straßen und Graffiti-Wände betrachte. Die geschlossenen Sonnenschirme, diese hohen schlanken Gebilde, erinnern mich an die menschlichen Gestalten, die die Straßen Ljubljanas verlassen haben. Die Absperrungen stehen stolz da und strahlen doch leise einen Hauch von Traurigkeit aus. Es scheint, als ob sie weinen, während sie gleichzeitig auf bessere Zeiten hoffen. 

All die prächtigen Gebäude, Plätze und Brücken besitzen noch ihren alten Charme, doch es fühlt sich surreal an. Keine Seele erweckt die Straßen zum Leben. Alle Einheimischen stecken zwischen ihren vier Wänden fest, jeder mit seinem eigenen Schicksal, in seiner persönlichen Betonblase. Aus einer lebendigen Stadt ist eine stille Stadt geworden, eine Stadt der leisen Seufzer und verschwundenen Schatten, eine Stadt der traurigen Geschichten. Es ist, als ob die Sonne am Morgen nicht mehr so hell scheint wie zuvor.

Eines ist sicher: Nichts wird mehr so sein wie zuvor. Dennoch wird die Zeit kommen, in der sich die Sonnenschirme wieder öffnen, um die frühen Sonnenstrahlen einzufangen. Auch die Menschen werden sich in den Straßen von Ljubljana wieder frei bewegen können. Diese Zeit wird kommen.

„Die Stadt der Seufzer“ ist während der ersten Abriegelung in der Geschichte des unabhängigen Sloweniens entstanden. Aufgrund der schwierigen durch die Pandemie verursachten Umstände, erwies sich dieses Projekt als alles andere als konventionell. Ich habe mich auf die Suche nach alltäglichen Objekten gemacht, die der Aufmerksamkeit von Passanten in der Regel entgehen. Dabei habe ich nach den Geschichten gesucht, die diese Alltagsgegenstände auf eine subtile und doch laute Art und Weise erzählen. Sie sprechen durch ihre Bilder und eröffnen den Betrachtern die Möglichkeit, ihre eigenen Geschichten zu erschaffen.

The City of sigh(t)s

»Ljubljana as never before. A loud noise of a profound panic is cutting a thick misty air, filled with a fear of the unknown. I am thinking of my beautiful hometown, which seems to serve as the backdrop for a Covid-19-post-apocalyptic movie, as I walk through the city. Random ominous moments creep up on me as I observe abandoned benches, empty streets, and graffiti walls. Closed umbrellas, tall creatures that remind me of the mundane human shapes that deserted Ljubljana's streets. The protective devices stand proudly, yet quietly emit an air of sadness. It seems as if they are crying, while simultaneously hoping for better times.

 

All the magnificent buildings, squares, and bridges still have their old charm, but it feels surreal. No souls are bringing the streets to life. All the locals are stuck between four walls, each with their own destiny, in their personal concrete bubble. A lively city became a silent city, a city of muffled sighs and lost shadows, a city of sad stories. It feels as if the sun no longer shines as bright during the morning as it did before. 

But one thing is for sure—nothing will be the same again. Nevertheless, the time will come when umbrellas will open once again, catching the sun's early rays, and people will feel freely roam Ljubljana's streets. That time will come.«

This unique photography project, »The City of sigh(t)s,« was created by Mankica Kranjec, a Slovene freelance photographer, during the first lockdown in the entire history of independent Slovenia. Due to challenging circumstances caused by a pandemic, this project turned out to be everything but conventional. However, with her unique eye for details, the photographer tried to find usual objects that do not attract passers-by's attention. She tried to search for the stories that hide behind everyday objects and subtly, yet loudly, speak through her images—allowing viewers to create their own narratives.

 

Mankica Kranjec, March - June 2020

Mankica Kranjec

Web: mankica.com